Die österreichische Helvetia Versicherungen AG hat ihre Vorgangsbearbeitung umfassend digitalisiert. Ob Post, Fax oder E-Mail – das vorgelagerte Scannen der Post, elektronische Akten und Postkörbe erlauben medienunabhängig identische Bearbeitungsprozesse. Die Umstellung erfolgte in einem zweijährigen Projekt auf Basis der Software Macros eWorkplace. Das besondere Vorgehen der Helvetia bei Ausschreibung und Umsetzung könnte dabei Schule machen.
Gerald Schlesinger, Projektleiter, Helvetia Versicherungen AG, Österreich.
Die Helvetia Versicherungen AG betreibt alle Sparten des Lebens- und des Schaden-Unfallgeschäftes. Mit rund 850 Mitarbeitenden betreut Helvetia ca. 500 000 Kundinnen und Kunden in Österreich. Sie ist Teil der erfolgreichen und europaweit präsenten Helvetia Gruppe mit Sitz im Schweizer St.Gallen. Die Individualität ihrer Kunden und die darauf abgestimmte Beratung haben bei Helvetia eine lange Tradition. 1858 unter dem Namen „Der AN KER ” gegründet ist sie die älteste Versicherungs-AG Österreichs. Die Generaldirektion befindet sich am Hohen Markt, einem der ältesten und geschichtsträchtigsten Plätze im Zentrum Wiens. Die Ankeruhr, Wiens berühmteste Kunstuhr, ziert den Hauptsitz der Helvetia Österreich. Die Jugendstiluhr wurde im Auftrag der ehemaligen ANKER -Versicherung vor über 100 Jahren errichtet, um die Vergänglichkeit der Zeit zu symbolisieren. Dem eigentlichen Wesen einer Versicherung entsprechend, sollte die musikalische Figurenuhr auf die rechtzeitige Vorsorge aufmerksam machen. Im August 2014 hat Helvetia die Basler Versicherungs-AG in Österreich übernommen und vergrößerte damit ihr Volumen um mehr als 50 Prozent. Das Prämienvolumen der Helvetia überschreitet in Österreich durch einen guten Geschäftsverlauf und vor allem durch die Übernahme erstmals die 400-Millionen-Euro- Marke (Stand 2015). Damit zieht Helvetia in die Top-10-Versicherungsgesellschaften Österreichs ein. Heute verfügt die Helvetia Gruppe über Niederlassungen in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Spanien, Italien und Frankreich und organisiert Teile ihrer Investment- und Finanzierungsaktivitäten über Tochter- und Fondsgesellschaften in Luxemburg und Jersey.
Schon seit vielen Jahren sichert die Helvetia Versicherungen AG die Vorgänge in ihren Sparten Leben und Schaden/Unfall über ein digitales Filenet-Archiv. Hierzu wurden alle Dokumente nach Abschluss der Bearbeitung digitalisiert. Allerdings: Die Bearbeitung selbst erfolgte vorrangig noch auf Basis der von den Kunden und Partnern via Post zugestellten anfragen und Dokumente. Eine speziell für die Helvetia entwickelte Lotus Notes-Anwendung unterstützte dabei Bearbeitungsprozesse und Kommunikation. „Trotz eines steigenden Anteils von E-Mails und einer zu etwa 80 % elektronischen Kommunikation mit Kunden und Partnern lautete unser Ziel: Wir wollten produktiver werden, die Papierstapel auf den Tischen in der Sachbearbeitung verschwinden lassen und es sollte für den Kunden und die Bearbeitung des Vorgangs völlig egal sein, auf welchem Wege die Anfragen und Dokumente zu uns kommen“, beschreibt Gerald Schlesinger, Projektleiter bei Helvetia die Ausgangslage.
Die Ausschreibung zum Projekt VesUV (Vollständiges Eingangsscanning und Verarbeitung) startete im März 2013 – auf ungewöhnliche Weise. „Als Anbieter bekommen wir in der Regel Ausschreibungen, die bereits sehr exakte Vorgaben machen – teilweise als Pflichtenheft mit Feature-Listen und genauen Vorgaben für die Umsetzung. Ganz anders, deutlich offener ist die Helvetia vorgegangen: Wir und andere Anbieter bekamen eine Art Executive Summary, in dem „nur“ die mit dem Projekt zu erreichenden Zielsetzungen formuliert waren“, berichtet Gabriele Görgen, Projektleiterin bei Macros Reply, über ihren ersten Kontakt zum Projekt.
Als Projektziele wurden beispielsweise genannt: Digitalisierung der Papierpost, einheitliche Prozesse für alle Kontaktkanäle, Mailarchivierung, Zeitersparnisse bei Archivierung/Indizierung, regelbasierte und automatisierte Postverteilung und Monitoring-Möglichkeiten für die Vorgangsbearbeitung. Wie dies genau geschehen sollte, wurde aber offengelassen. auf Basis der eingehenden Vorschläge reduzierten Gerald Schlesinger und sein Team die Anbieterliste auf eine Shortlist mit drei Anbietern.
Das favorisierte Konzept präsentierte letztlich das Team der Macros Reply auf Basis der flexibel konfigurierbaren Standardsoftware Macros eWorkplace. „Hier wurde uns nicht nur ein Viewer für digitalisierte/archivierte Dokumente angeboten, sondern eine komplette Workflow-unterstützende Postkorb/e-Akte-Lösung mit Verteilregelwerk. Zudem überzeugte das Team bei der Präsentation auch durch fachliches Know-how und Projekterfahrung in der Versicherungsbranche“, so Gerald Schlesinger. An das Ende der Ausschreibungsphase stellte Helvetia jedoch noch nicht den Gesamtauftrag, sondern den Auftrag für ein Proof of Concept. dazu sollten die Spezialisten von Macros Reply eine Standardkonfiguration ihrer Software auf den IT-Systemen der Versicherung lauffähig einrichten, deren Möglichkeiten zeigen, Arbeitsweisen und Prozesse nachvollziehbar veranschaulichen sowie Schnittstellen auf ihre Funktionsfähigkeit prüfen. „Wir haben diesen Proof-of-Concept ganz bewusst als unabhängiges Projekt getrieben und bezahlt. Wir wollten ja nicht den Anbieter mit kostenfreien Zusatzleistungen übervorteilen, sondern Details erfahren und Sicherheit für das spätere Projekt gewinnen. Für mich steht fest: Jeder Cent für diese Phase hat sich bezahlt gemacht“, blickt Gerald Schlesinger auf den Start der Zusammenarbeit zurück. Hätte die Proof of Concept-Phase die Erwartungen nicht erfüllt, wäre das Projekt abgebrochen oder ein anderer Anbieter beauftragt worden.
Aber alles lief sehr gut, sowohl technisch wie auch fachlich erfüllt die Testinstallation die Erwartungen. Das für den Proof of Concept installierte System konnte sogar direkt als Entwicklungssystem genutzt werden. Erst jetzt wurde in Vorbereitung der Umsetzung ein detailliertes Pflichtenheft erstellt und abgestimmt. Ein weiterer Vorteil der Probeinstallation: die Mitarbeitenden bei der Helvetia bekamen einen Eindruck über die Arbeit mit dem System. das war wichtig – auch weil viele der künftig in Macros eWorkplace unterstützten Prozesse bisher in der unternehmenseigenen Lotus Notes-Anwendung abgebildet waren. Das war zwar positiv, weil die Mitarbeiter die Arbeit mit einer Workflow-orientierten IT-Lösung bereits kannten. Auf der anderen Seite schraubten diese Erfahrungen auch die Erwartungen an die künftige Lösung hoch. Eine der Folgen: Die Fachabteilungen beharrten zunächst darauf, das bereits bekannte Verteilregelwerk für die Team- und Einzelpostkörbe 1:1 zu übernehmen. Erst nach einigen Wochen der Arbeit mit Macros eWorkplace änderte sich das und die Fachabteilungen nutzten die neuen Möglichkeiten, um die Verteilung weiter zu optimieren.
Auch in der IT-Technik gab es Umstellungen. So veränderte die vorgeschaltete Digitalisierung und Verschlagwortung über einen Dienstleister die Übertragungswege in das Archiv und die Datenbanken. Eine zusätzliche Besonderheit: Zwar wird die Macros-Anwendung vom IT-Team der Helvetia in Wien betrieben und betreut, die Server mit der Software stehen aber bei der Helvetia Gruppe im Schweizer Basel.
Im September 2014 ging die Sparte Schaden in den Live-Betrieb. Seit März 2015 arbeiten die Mitarbeiter aller Sparten mit VES UV und dem Bestandssystem an zwei großen Bildschirmen. Der Scandienstleister übernimmt Digitalisierung und Verschlagwortung der eingehenden Post. Die Verteilung auf die Postkörbe erfolgt regelbasiert und automatisch. Das Ergebnis: Die Papierstapel auf den Schreibtischen sind verschwunden und die Prozesse unabhängig vom Kanal oder Medium, über die eine Kundenanfrage eingeht. Die Fachabteilungen können sich ganz auf ihre wertschöpfende Tätigkeit konzentrieren, die früher notwendige, zeitraubende Erstellung der Anweisungen für die nachgelagerte Digitalisierung ist entfallen. Aktuell laufen Optimierungen. So soll die Performance der Server erhöht und die Integration von Mozilla Firefox als Browser weiter verbessert werden.
„Für uns hat sich die zielsetzungsorientierte, aber ergebnisoffene Anfrage ebenso wie der Proof-of-Concept als separates Projekt bewährt. Beides mag ungewöhnlich sein, aber dieses Vorgehen verschaffte uns maximale Sicherheit und ermöglichte es uns, auf eine konfigurierbare Standardsoftware zu setzen, statt auf eine Individualprogrammierung mit all ihren Risiken in der Entwicklung und bei künftigen Anpassungen“, fasst Gerald Schlesinger seine Projekterfahrungen zusammen. Dass dieses Vorgehen nicht nur pro forma erfolgte, zeigt der Wechsel des Scandienstleisters. Hier wechselte die Helvetia im Verlauf von Ausschreibung und Projekt zur Swiss Post Solutions.
Auch für Macros Reply hat sich das gewählte Verfahren als effektives und ideales „Best- Practise-Vorgehen” herausgestellt. „In dem Projekt standen die unternehmerischen Zielsetzungen immer im Vordergrund. Mit unserer konfigurierbaren eWorkplace-Software können wir sehr früh zeigen, ob und wie sich die Vorstellungen des Kunden realisieren lassen – fachlich, technisch, zeitlich und bezüglich der Kosten. Echte Proof-of-Concepts auf den Systemen verschaffen Kunden und Anbietern die gewünschte Sicherheit“, so Gabriele Görgen von Macros Reply.